Nicht nur das Bauchgefühl, sondern auch die Wissenschaft sagt: Wer in den Wald eintaucht, tut etwas für seine Gesundheit. In ausgewiesenen Kur- und Heilwäldern geht das besonders gut.

Bedächtig schweift der Blick umher: hier ein Ameisenhaufen, dort einige Wildblumen und überall Büsche, Blätter, Bäume. Alles im grünen Bereich! Erdiger Duft liegt in der Luft, eine Handvoll Waldhimbeeren auf der Zunge. Motorenlärm oder ratternde Maschinen? Fehlanzeige. Die Stille wird höchstens mal von Vogelgezwitscher unterbrochen oder wenn ab und zu ein Ästchen unter den Füßen knackt. Aah, so einfach geht Entspannung! Wobei es wahrlich keine neue Erkenntnis ist, dass der Wald dem Menschen guttut. Johann Wolfgang von Goethe dichtete schon vor 200 Jahren: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.“ Dieser Sinn im Nicht-Suchen, das Walderlebnis als natürliches Mittel, um die eigenen Batterien wieder aufzuladen, war jedoch etwas in Vergessenheit geraten. Nun entdecken es immer mehr Menschen wieder – oder ganz neu.


Effektiver Stressentschleuniger

Frau steht barfuß in einem Bach im Biosphärenreservat Rhön, umgeben von grünem Wald. Ehrenberg: Frau beim Waldbaden im Biosphärenreservat Rhön ©DZT (Florian Trykowski)

Aufwind bekam das Waldbaden durch eine Reihe von Studien, die untermauern, dass es der Gesundheit tatsächlich dient, wenn man dem Blätterrauschen lauscht und ab und an Rinde oder Moos anfasst. Woran das genau liegt? Gesundheitsexperten führen vor allem Terpene an – sekundäre Pflanzenstoffe, die auch in ätherischen Ölen enthalten sind, und von denen heutzutage über 8.000 bekannt sind. Längst ist bewiesen, dass das menschliche Immunsystem auf eben jene Botenstoffe reagiert, indem es die Abwehrkräfte stärkt. So erhöht ein zwei- bis dreistündiger Waldspaziergang die Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen um 40 Prozent, sagen etwa Mitarbeiter des 2012 in Japan eingerichteten Forschungszweigs „Waldmedizin“. Weitere Pluspunkte: Senkung des Blutzuckerspiegels und Blutdrucks, geringere Anfälligkeit für Depressionen und ein generell besseres Wohlbefinden.


Natürliche Therapiestationen

Wer die Wirkung am eigenen Leib testen will, kann das erstmal überall tun, wo sich Wald auftut. Sicher größer ist der Effekt mit einer therapeutischen Anleitung, wie es sie in ausgewiesenen Kurwäldern, ohnehin Premiumareale mit meist altem Baumbestand, gibt. Im Fokus stehen hier diverse Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention von Krankheiten, darunter besonders entschleunigende Verfahren wie Body-Mind-Übungen oder Achtsamkeitspraxis.

Mit dem Siegel „WaldGesundheit“ hat etwa der Bayerische Heilbäderverband in 13 Gemeinden Kurwälder zertifiziert, drei davon – Bad Füssing, Bad Wörishofen und Bad Kötzting – wurden zusätzlich als Heilwälder anerkannt. Diese Auszeichnung markiert quasi das nächste Level, indem es gesundheitsfördernde Maßnahmen garantiert, die das weitere Voranschreiten einer Erkrankung vermeiden, verzögern oder lindern sollen. Diese werden etwa im nordrhein-westfälischen Bad Lippspringe angeboten, wo nicht nur vom „europaweit einmaligen Zusammenspiel eines artenreichen Waldes mit einem beruhigendem, reizarmem Mittelgebirgsklima“ die Rede ist, sondern auch von einem großen therapeutischen Angebot im „Medizinischen Zentrum für Gesundheit“. Deutschlands erster Heilwald wurde indessen 2016 in Heringsdorf auf Usedom geschaffen und erklärte 2021 ein Teilstück gar zum ersten Kinderheilwald Europas – inklusive Sinneswald, Bewegungsbereich und einer Kreativzone. Auch der 240 Hektar große Kur- und Heilwald in Lahnstein, dem ersten in Rheinland-Pfalz, weist extra einen Bereich für Kinder aus.