Städte & Kultur
Märchen-Städte: Auf Grimms Spuren
Wer die Deutsche Märchenstraße von Hanau bis Bremen unter die Räder nimmt, reist auf den Spuren der Gebrüder Grimm und ihrer Figuren von einer Märchenkulisse in die nächste. Einige Städte schlagen aber auch noch andere Kapitel jenseits der Grimms auf …
Hameln: Juwel der Weserrenaissance
Das Land hinter den sieben Bergen, wo die sieben Zwerge lebten. Der Turm, an dem Rapunzel ihr Haar hinunterließ. Die Burg, in der Dornröschen 100 Jahre schlief – viele der bekannten Schauplätze gibt es nicht nur im Märchenbuch, sondern tatsächlich – oder zumindest in sehr ähnlicher Variation. Sehr real etwa existiert die in den sanften Hügeln des Weserberglands eingebettete Stadt Hameln, Schauplatz des „Rattenfängers von Hameln“. Wer die Story nicht mehr parat hat, dem helfen rund 70 Darsteller beim wöchentlichen Rattenfänger-Freilichtspiel auf die Sprünge. Der tatsächliche Stadtauszug der Kinder, datiert auf das Jahr 1248, wird auch beim dreimal täglichen Figurenspiel am Westgiebel des historischen Hochzeitshauses thematisiert und beim Musical „Rats“ humorvoll in Szene gesetzt. Vergnügen bereitet ganz generell ein Bummel durch die Altstadt mit ihren Gassen, geschäftigen Einkaufsstraßen und Weserrenaissance-Gebäuden. Eines der prunkvollsten Gebäude ist – und da taucht das Thema erneut auf – das Rattenfängerhaus von 1602.
Marburg: Grimm Dich fit!
15 Stationen, 109 Höhenmeter und 282 Stufen: Das sind normalerweise nicht die Eckdaten einer Märchenstunde. Doch dieser durchaus sportliche Aspekt erwartet konditionsstarke Märchenfreunde, wollen sie den Grimm-Dich-Pfad in Marburg an der Lahn bewältigen. Grimm-Dich-Pfad? Das Wortspiel trifft es. Auf zweieinhalb Kilometern kann man sich richtig ertüchtigen – und lernt nebenbei die schönsten Grimm-Märchen kennen. Von Hänsel und Gretel über den Froschkönig bis Schneewittchens Stöckelschuh hat der Künstler Pasquale Ippolito überlebensgroße Figuren geschaffen und in der Altstadt verteilt. Deren Flair wird indessen von der engen und spektakulär verschachtelten Bebauung mit alten Fachwerkhäusern sowie dem steilen Aufstieg zum Schlosshügel samt Landgrafenschloss geprägt. Und vom studentischen Flair. Nicht nur die Brüder Grimm besuch(t)en hier die 1527 gegründete Uni. Ein Slogan lautet: „Andere Städte haben eine Universität – Marburg ist eine.“
Kassel: Viel Grimm, viel Grün
Das nordhessische Kassel ist nicht nur Documenta- und UNESCO Welterbe-Stadt, sondern auch Hauptstadt der Märchenstraße. Warum? Dort lebten die Grimms fast 30 Jahre lang und sammelten dort einen Großteil ihrer „Kinder- und Hausmärchen“. Als meist gelesenes deutschsprachiges Buch der Welt zählt es sogar zum UNESCO Weltdokumentenerbe. Die Handoriginale sind in der 2015 eröffneten, fünfgeschossigen „Grimmwelt“ ausgestellt. Dort erfährt man noch vieles mehr über das Leben und Schaffen der Grimms – modern und multimedial umgesetzt und unter Mitwirkung internationaler Künstler wie Ai Weiwei und Ecke Bonk. Damit nicht genug: Kassel wirbt mit dem Grimm Festival, Grimmpralinen, Themenwegen und Spezialtouren. Die führen meist auch zum Brüder-Grimm-Platz inklusive Denkmal. Direkt daneben, in der Torwache, haben die beiden einst gelebt. Wer nun denkt, die Insel Siebenbergen, wäre ein weiterer Marketinggag, irrt. Das Blumenparadies im Staatspark Karlsaue ist schon 1710 angelegt worden – und immer noch märchenhaft schön.
Bremen: Stadtmusikanten in allen Facetten
Unten der Esel, darauf Hund und Katze und ganz oben der Hahn: Dieses Quartett ist weltbekannt, als „Bremer Stadtmusikanten“. In ihrer „Heimat“ sind sie omnipräsent. So wurde den Märchenfiguren ein reales Denkmal in Gestalt einer Bronzeplastik gesetzt. Und zwar an prominenter Stelle, unweit von Rathaus und Roland, den Top-Sehenswürdigkeiten der über 1.200 Jahre alten Hanse- und Welterbestadt an der Weser. Nebenan im Domshof wird übrigens einmal pro Woche die Geschichte der Fabelwesen erzählt – live, lebensgroß, gratis. Auch im Bremer Geschichtenhaus, das sich im ältesten und doch sehr lebendigen Stadtviertel Schnoor befindet, ist ihnen ein Kapitel gewidmet. Zudem zieren sie den Sieben-Faulen-Brunnen im Handwerkerhof der Böttcherstraße, die mit ihrem Stilmix von Art déco und expressionistischer Backsteinbauweise einen ganz besonderen Charme ausstrahlt. Eine etwas makabre Interpretation findet sich übrigens in der Kunsthalle Bremen: eine Skulptur aus vier übereinandergestapelten Tierskeletten.