Städte & Kultur
Geschichtsmuseen: Rückblicke, Einblicke, Ausblicke
Geschichte hat vor allem bei Jüngeren mitunter den Ruf, langweilig zu sein. Dass das nicht sein muss, beweisen viele Museen, die mit innovativen Ausstellungskonzepten sowie modernen und interaktiven Vermittlungsmethoden Vergangenes spannend aufbereiten.
Deutsches Historisches Museum: Oberstes Geschichtshaus der Republik
Ob sich Altbundeskanzler Helmut Kohl 1987 hätte träumen lassen, dass sein Herzensprojekt einmal zu den größten Geschichtsmuseen der Welt zählen sollte? Dass sich allein in den Jahren zwischen seiner Gründerdokumentenunterschrift und der Eröffnung 1990 die Geschichte quasi überschlägt, Stichwort Wiedervereinigung? Auch wenn das „Regierungsgeschenk“ zum 750. Geburtstag Berlins vorab kontrovers diskutiert wurde. Der Auftrag des ins älteste Gebäude am Boulevard Unter den Linden eingezogenen Museums als „Ort der Aufklärung und Verständigung über die gemeinsame Geschichte von Deutschen und Europäern“ kommt auch bei der Öffentlichkeit sehr gut an. Nicht zuletzt dank Kino, Bibliothek und der Dauerausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“. Von Ritterrüstungen über Uniformröcke aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu Wahlplakaten der Weimarer Republik und einem Originalstück der Berliner Mauer gaben tausende Exponate Einblick in 1.500 Jahre Deutschland. Gaben? Das historische Zeughaus mit seinen vielen Räumen wird bis 2025 saniert. Der moderne Pei-Bau nebenan bleibt jedoch für Veranstaltungen und Wechselausstellungen geöffnet. Weiterhin zur Verfügung steht auch die zur Onlinerecherche nutzbare Objektdatenbank, sie ist die umfassendste aller Museen in Deutschland.
Haus der Geschichte: Was nach dem 2. Weltkrieg geschah
Mit der Museumsmeile nahe des Bundesviertels, bis 1993 Parlaments und Regierungssitz, hat die Bundesrepublik Deutschland ihrer Ex-Hauptstadt den Übergang versüßt. Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig liefert Einblicke in die Ökosysteme der Erde, das Kunstmuseum Bonn ist ein bedeutendes Haus für Gegenwartskunst mit Werken von Beuys und Co., die Bundeskunsthalle ein einzigartiger Ort der Kunst, Kultur und Wissenschaft und das Deutsche Museum Bonn entwickelt sich zu einem spannenden und unterhaltsamen Informationsforum zum Zukunftsthema Künstlichen Intelligenz. Am meisten Zulauf – und das liegt sicher nicht nur am freien Eintritt – verzeichnet jedoch das 1994 eröffnete Haus der Geschichte Bonn, wobei es hier nicht um die Geschichte der Stadt, sondern die der Bundesrepublik Deutschland geht. Genau genommen um die ab 1945 bis in die Gegenwart. Für eine vergnüglich-nachdenkliche Zeitreise sorgen 160 interaktive Medienstationen mit Film- und Tondokumenten sowie mehr als 7.000 Exponate, darunter ein Original-Kinosaal aus den 50ern, ein Panzer vom Aufstand am 17. Juni 1953, Abgeordnetenbänke aus dem alten Plenarsaal und Willy Brandts Nobelpreisurkunde. Dass Geschichte auch sehr aktuell sein kann, beweisen - mal von modernen Schulbildungsprogrammen und aufs Smartphone ladbaren Audio-Guides abgesehen - sehr junge Ausstellungsstücke wie etwa eine Ampulle aus der ersten Corona-Impfstoff-Charge.
Haus der Bayerischen Geschichte: 200 Jahre Bayern auf einen Blick
Einst brüllte der vier Meter hohe Löwe, Symboltier Bayerns, vor dem Löwenbräuzelt am Oktoberfest, nun fordert er im lichtdurchfluteten Riesenfoyer des 2019 eröffneten „Haus der Bayerischen Geschichte“ die Besucher mit einem freundlichen „Grüß Gott“ zum Verweilen auf. Einen weiteren Gratis-Teaser serviert der Panorama-Raum. Der humorvolle, mit modernster Medientechnik umgesetzte 360-Grad-Film zum Thema „Was vorher geschah“, sprich von den Römern bis 1800, macht Appetit auf die Dauerausstellung. Dort wird anhand von rund 1.000 Exponaten und mittels moderner Multimediastationen die mehr als 200-jährige Geschichte Bayerns vom Königreich bis ins 21. Jahrhundert präsentiert. Der chronologische Rundgang wird dabei von acht Kulturkabinetten flankiert, die im weitesten Sinn kulturelle Phänomene und Klischees hinterfragen, die besonders mit Bayern verbunden werden – vom Dialekt über Feste und Religion bis zur Natur. Um diese Eindrücke, die durch Sonderausstellungen vertieft werden können, gut zu verdauen, bieten sich bei gutem Wetter die Außenstufen unter dem goldenen Acht-Meter-Waller an, mit Blick auf die Donau und das bunte Treiben am Marc-Aurel-Ufer.
Auswanderermuseum BallinStadt: Geballte Migrationsgeschichte
Zwischen 1850 und 1939 war Hamburg das „Tor zur Welt“ für mehr als fünf Millionen europäische Auswanderer, die auf der Flucht vor politischer und religiöser Verfolgung waren oder einfach um einem Leben in Armut und Hunger zu entgehen. Dieses Thema sichtbar zu machen, hat sich die 2007 am Ort der früheren Auswandererhallen eröffnete und 2016 auf 2.500 Quadratmeter erweiterte „BallinStadt“ vorgenommen. Der Name erinnert an den Hapag-Generaldirektor Albert Ballin, der eben jene Massenunterkünfte für Migranten errichten ließ. Wie die damals genau aussahen, vermitteln drei original rekonstruierte Wohn- und Schlafpavillons, in denen Besucher die Geschichten europäischer Auswanderer von 1600 bis in die Gegenwart nacherleben können. Das Zusammenspiel aus historischen Exponaten und interaktiven Ausstellungselementen wie „sprechenden Puppen“ begeistert übrigens auch jüngere Besucher, die etliche Druckknöpfe, eigene Erzählpuppen und in einem Tunnel auf dem Schiff Infos zur Ozeanüberfahrt vorfinden. Was ebenfalls begeistert: die stilechte Anreise zu Wasser. Barkassen verkehren von den Landungsbrücken bis zum eigenes eingerichteten Schiffsanleger „auf der Veddel“.