6 Thesen zu den Trends im Geschäftsreisemarkt der Zukunft
Ein gemeinsamer Beitrag von Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), und Matthias Schultze, Geschäftsführer des German Convention Bureau (GCB)
Mit dem weitgehenden Stillstand des weltweiten Tourismus nach Ausbruch der Covid 19-Pandemie kam auch die Geschäftsreisetätigkeit abrupt zum Erliegen. Das bedeutete auch einen kompletten Reset für die bis dahin erarbeiteten Positionen im Wettbewerb der Destinationen.
Entsprechend werden im Restart die Karten neu gemischt. Die Präsentation des Meeting- & EventBarometers (MEBa) 2022/23, die OMR Hamburg und die IMEX Frankfurt skizzieren wichtige Indikatoren für die aktuelle Situation und Trends im Markt. Petra Hedorfer und Matthias Schultze analysieren in ihrem folgenden Beitrag anhand von 6 Thesen, wie Deutschland die erste Recovery-Phase gemeistert hat, welche Entwicklungen und Kriterien für die Zukunft der Geschäftsreise wichtig werden und wie Deutschland an der künftigen Marktentwicklung partizipieren kann.
1. Der internationale Geschäftsreisemarkt erholt sich nach drei Krisenjahren dynamisch. Deutschlands Incoming-Tourismus nimmt an der bisherigen Recovery überproportional teil und könnte in Zukunft seine Top-Position sogar noch ausbauen.
Zunächst wollen wir die Eckdaten betrachten: Der internationale Geschäftsreisemarkt überwindet schrittweise die starken Rückgänge infolge der COVID 19-Pandemie. 2022 wurden jedoch noch nicht wieder die Recovery-Raten wie im Segment des Urlaubstourismus und der sonstigen Privatreisen erreicht.
Bezogen auf das Reiseland Deutschland hat sich die Zahl der Geschäftsreisen aus Europa 2022 laut IPK International gegenüber 2021 zwar mehr als verdoppelt (plus 122 Prozent), bleibt jedoch immer noch um rund 30 Prozent hinter den Rekordzahlen des Vorkrisenjahres 2019 (2019 absolut: 13,3 Mio. Geschäftsreisen aus Europa, 2022: 9,2 Mio.).
84 Prozent der über elf Millionen Geschäftsreisen nach Deutschland im Jahr 2022 kamen aus europäischen Quellmärkten, 16 Prozent aus Übersee, wobei diese sich im Vorjahresvergleich mehr als verdreifachten. Das ist besonders eindrucksvoll vor dem Hintergrund, dass die bestehenden Reiserestriktionen in China erst im März 2023 gelockert wurden und diese große Volkswirtschaft 2022 kaum zum internationalen Geschäftsreisevolumen nach Deutschland beitragen konnte.
Im Wettbewerb der europäischen Destinationen hat Deutschland seine Top-Position als Geschäftsreiseziel in der ersten Restart-Phase nochmals deutlich ausgebaut.
Um diese starke Position auch in Zukunft zu sichern, benötigen wir auf der einen Seite fundierte Analysen der Einflussfaktoren, die Deutschland als Geschäftsreiseziel heute attraktiv machen, und auf der anderen Seite ein umfassendes Trendmonitoring mit Blick auf technologische Möglichkeiten, Kommunikationsmuster, soziale Akzeptanz von Neuerungen und Marktperspektiven.
Zu den starken Assets der Gegenwart gehört zweifellos das hervorragende Image von Deutschland weltweit: Im Anholt Ipsos Nation Brands Index (NBI) können wir auf Platz 1 im Gesamtranking bauen. Im Hexagon der Standortfaktoren des NBI sind „Export“ und „Human Factors“ die für den Geschäftsreisemarkt besonders relevanten Teilindizes. Bei Geschäftsreisen geht es immer um wirtschaftliche Beziehungen und Netzwerke, die durch die persönliche Interaktion und den Austausch vor Ort gestärkt werden. In diesen beiden Kategorien performt Deutschland ebenfalls überdurchschnittlich gut.
Auch die Kompetenzen Deutschlands in Schlüsselbereichen von Wirtschaft und Wissenschaft sind hier ein wesentlicher Faktor. Laut MEBa wählen mehr als drei Viertel der befragten Veranstaltungsplanerinnen und -planer die Destination passend zum jeweiligen Thema des Events aus.
Und: Geschäftsreisende aus dem Ausland bestätigen eine stabil hohe Qualität des Angebotes. Der Qualitätsmonitor Deutschlandtourismus weist für den Befragungszeitraum Mai 2015 bis Oktober 2022 auf einer Skala von 1 (äußerst begeistert) bis 6 (eher enttäuscht) eine Gesamtzufriedenheit von 1,95 aus.
Zugleich wissen wir, dass wirtschaftliche Entwicklungen immer volatiler werden und die Wahrnehmung von Markenimages sich auch aufgrund exogener Faktoren wandeln können. Es wird also für die Zukunft des Geschäftsreisestandortes essenziell, attraktive Rahmenbedingungen für Geschäftsreisende zu schaffen und so das Markenprofil weiter auszubauen.
2. Der Geschäftsreisemarkt hat für Deutschland als Destination sowie als Wirtschaftsstandort eine besonders große Bedeutung.
Das Geschäftsreisesegment hat im deutschen Incoming-Tourismus eine besondere Relevanz. Rund jede fünfte Reise aus dem Ausland nach Deutschland dient geschäftlichen Zwecken, im europäischen Durchschnitt liegt dieser Anteil lediglich bei elf Prozent.
Darüber hinaus generieren Geschäftsreisende eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Wertschöpfung. So lagen die Reiseausgaben der ausländischen Business Traveller in Deutschland 2022 inklusive Anreise bei 131,00 Euro pro Nacht und damit deutlich über den Reiseausgaben bei Urlaubern (107,70€) und sonstigen Privatreisen (80,50€).
Unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Wertschöpfung hat die Pandemiezeit ebenfalls deutliche Spuren hinterlassen, denn neben der Zahl der Reisenden sanken auch die Pro-Kopf-Ausgaben von 127,50 Euro pro Reisetag im Jahr 2019 auf 94,40 Euro im zweiten Pandemiejahr 2021.
Die von Geschäftsreisenden aus Europa nach Deutschland generierten Umsätze sanken nach Angaben von IPK International von 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 bis in das zweite Pandemiejahr 2021 auf 3,8 Milliarden Euro und erholten sich 2022 wieder auf 7,0 Milliarden Euro. Rückgang und teilweise Erholung treffen die gesamte Wertschöpfungskette der Tourismusbranche. Geschäftsreisende und Messen / Kongresse steigern nicht zuletzt die Auslastung von Kapazitäten in der Stadthotellerie antizyklisch zu Feriensaisonzeiten und leisten so einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Betriebe.
Analog dazu konstatieren 88 Prozent der Anbieter im Veranstaltungsmarkt laut MEBa 2022/2023 steigende Umsätze gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 77 Prozent.
Ein weiterer wichtiger Wirtschaftsfaktor sind – gerade im Bereich der promotablen Reisen – notwendige Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise von Veranstaltungs- und Kongresszentren, um ein attraktives und wettbewerbsfähiges Angebot zu präsentieren, die fortlaufende Modernisierung von Konferenztechnik und vieles mehr. Damit diese Investitionen sich rechnen, muss wiederum eine entsprechende Nachfrage generiert werden. Die Krisenjahre haben zahlreiche Dienstleister substanziell getroffen.
3. Der Geschäftsreisemarkt befindet sich langfristig in einem tiefgreifenden Wandel, der durch die Pandemie erheblich beschleunigt wurde – kommt nun ein Rollback?
Langfristig ist der Markt der Geschäftsreisen in einer stetigen Transformation. Während der letzten Dekade – also vom Ende der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise bis zum Ausbruch der Covid 19-Pandemie – ist die Zahl der Geschäftsreisen nach Deutschland insgesamt stetig gewachsen, von 12 Millionen im Jahr 2010 auf 16 Millionen im Jahr 2019. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der traditionellen Geschäftsreisen von 53 Prozent auf 44 Prozent, promotable Geschäftsreisen gewannen sowohl in absoluten Zahlen als auch in Marktanteilen.
Post Corona stellt sich hier die Frage nach Verschiebungen in der Nachfrage bei einzelnen Segmenten: Ist die langsamere Erholung traditioneller Geschäftsreisen (Recovery-Rate von 63 Prozent) ein Hinweis auf deren dauerhafte Verlagerung in den virtuellen Raum, etwa in Form von Videokonferenzen? Oder verzögert lediglich die aktuelle wirtschaftliche Situation bei wichtigen Marktteilnehmern eine schnellere Erholung?
Die Marktanteile der promotablen Geschäftsreisen steigen jedenfalls deutlich und erreichen 2022 bei den europäischen Geschäftsreisenden 60 Prozent, bei denen aus Übersee sogar 67 Prozent. Die von IPK International untersuchten Reiseabsichten 2023 bestätigen einen entsprechenden Trend:
43 Prozent der Business Traveller wollen traditionelle Geschäftsreisen unternehmen, 77 Prozent MICE-Reisen (Mehrfachnennungen möglich).
Auch innerhalb des Segmentes der promotablen Geschäftsreisen zeichnen sich deutliche Profilverschiebungen ab. Ausgangspunkt sind die vom MEBa erfassten 2,9 Millionen Veranstaltungen im Jahr 2019.
Als erste Reaktion auf den Lockdown 2020 wurden fast die Hälfte der Präsenzveranstaltungen aus dem Vorjahr direkt durch virtuelle Formate ersetzt, die Zahl der Präsenzveranstaltungen sank deutlich auf 0,8 Millionen. Erstmals erschienen als zusätzliches Segment 100.000 Hybrid-Events als Kombination aus Online- und Präsenzveranstaltung.
Im zweiten Pandemiejahr nimmt die Entwicklung weiter Fahrt auf: 3,0 Millionen rein virtuelle Veranstaltungen bedeuten mehr als eine Verdopplung gegenüber 2020. Rund 360.000 Hybridveranstaltungen bedeuten einen Senkrechtstart für das neue Format, während echte Präsenzveranstaltungen aufgrund der langen Lockdown-Phase zu Beginn des Jahres weiter erodieren. Insgesamt übertrifft die Zahl der Veranstaltungen im zweiten Coronajahr sogar die Rekordwerte des Vorkrisenjahres 2019! Das spiegelt sich auch in den Teilnehmerzahlen wider. Führt der digitale Schub durch Corona zu einer Expansion des Marktes insgesamt?
Die Betrachtung der MEBa-Ergebnisse 2022 ergibt einen Zuwachs von Veranstaltungen vor Ort: Kräftige Gewinne bei den Präsenzveranstaltungen kompensieren die Verluste bei den Hybridformaten, während rein virtuelle Veranstaltungen deutlich zurückgehen.
Eine unmittelbare Gegenüberstellung der Säulen 2019 und 2022 zeigt: Neue Formate entstehen und etablieren sich. Welche Größenordnung sie postpandemisch erreichen, bleibt abzuwarten.
Das Comeback der Präsenzveranstaltung gibt deutliche Hinweise, dass persönliche Begegnungen auch in Zukunft gefragt sind. Die Zahlen verdeutlichen den Bedarf nach einem doppelten Fokus auf persönlicher Begegnung und virtueller Vernetzung, der insbesondere von den befragten Veranstaltern mit Blick auf die Marktentwicklung der nächsten Jahre bestätigt wird. Um erfolgreich am künftigen Mix der Formate zu partizipieren, müssen auf der Anbieterseite sowohl die Soft Skills für Präsenzveranstaltungen wie Servicequalität und attraktive Rahmenprogramme stimmen als auch die digitale Kompetenz zur Organisation virtueller und hybrider Formate.
Gezielte Forschungsarbeit, wie in dem vom GCB und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO 2015 gegründeten Innovationsverbund Future Meeting Space, schafft die Basis für innovative Kommunikationsformate. Diese sind der Schlüssel dafür, dass Deutschland seine führende Position im internationalen Wettbewerb der Geschäftsreiseziele halten und ausbauen kann.
4. Der Geschäftsreisemarkt ist Treiber der Nachhaltigkeitsstrategie
„Messen – Mindern – Kompensieren“, so lautet der strategische Ansatz, um im Incoming-Tourismus den ökologischen Footprint wirksam und dauerhaft zu reduzieren. Das gilt in gleichem oder sogar noch höherem Maße für die Geschäftsreisen nach Deutschland, schon weil diese oft mit längeren Anreisen verbunden sind (siehe oben – überproportionaler Anteil der Business Traveller bei den Deutschlandreisenden aus Übersee).
Im ersten Schritt – Messen – ist eine möglichst präzise Analyse der durch Veranstaltungen verursachten Emissionen erforderlich. Eine genaue Kenntnis des ökologischen Footprints von Veranstaltungen gibt Veranstaltern, Planern und Anbietern klare Entscheidungshilfen bei der verantwortungsbewussten Wahl und Gestaltung von Formaten. Handlungsleitfäden, wie die von der DZT entwickelte Balance Score Card und die Integration der Daten in die Erfolgskontrolle, sind ein wichtiger Schritt zur Optimierung von Prozessen unter ökologischen Gesichtspunkten.
Die Mobilität bietet weitere Möglichkeiten zum Mindern von Emissionen in der Customer Journey. Sie ist ein Kernelement bei der Entscheidung für Präsenzveranstaltungen versus Hybrid- und Digital-Events. Nachhaltige Mobilität schließt die Erreichbarkeit von Veranstaltungsorten mit klima- und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, wie Bus und Bahn, sowie die Einbeziehung des ÖPNV in Veranstaltungskonzepte ein. Große Investitionen in Forschung und Entwicklung bei bedeutenden Industrieunternehmen öffnen weitere Chancen zur Minderung von Emissionen und zur Verbesserung der Klimabilanz auch in der Aviation-Branche. Dazu zählen beispielsweise technologische Fortschritte, wie die Einführung nachhaltiger Antriebe oder Treibstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Hier treffen sich die Vorteile Deutschlands als Standort mit hoher Kompetenz in Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und als hervorragend etabliertes MICE-Ziel auf der anderen Seite.
Durch den strategischen Ansatz „Messen und Mindern“ lassen sich Emissionen zwar wirksam reduzieren, aber nicht völlig auf Null senken. Neben technologischen Innovationen und gezielter Prozessgestaltung sind Modelle zur Kompensation ein probates Mittel, die ökologische Bilanz von Veranstaltungen wirksam zu verbessern und im Geschäftsreisebereich gut umzusetzen, da Unternehmen sich immer mehr an ESG-Kriterien orientieren (müssen).
Wir sehen sowohl auf Nachfrage- als auch auf Anbieterseite, dass das Thema Nachhaltigkeit im MICE-Segment „angekommen“ ist. Das geht Hand in Hand mit dem veränderten Wertebewusstsein der Reisenden selbst.
Verschiedene Datenanalysen von IPK und teralytics belegen einen steigenden Marktanteil der Bahnanreise im Modalsplit der Verkehrsträger. Daten aus dem Qualitätsmonitor Deutschlandtourismus für den Befragungszeitraum Mai 2015 bis Oktober 2022 machen mit Blick auf die Verkehrsträgerwahl der Geschäftsreisenden deutlich, dass Geschäftsreisende mit 13 Prozent eher das Verkehrsmittel Bahn wählen als die Urlaubsreisenden (Anteil Bahn 11 Prozent).
Für die Anbieter im Veranstaltungsmarkt belegt das MEBa 2022/23 eine steigende Relevanz der Nachhaltigkeitsthematik. Rund ein Fünftel der Anbieterbetriebe sieht sich bereits im gesamten Bereich der Lieferkette strategisch nachhaltig aufgestellt. Die große Mehrheit der befragten Anbieter kann verschiedene Teilbereiche nachhaltiger Bestrebungen erfüllen, während weniger als zehn Prozent der Befragten sich nicht aktiv mit dem Thema beschäftigen. Für Veranstalter hat nachhaltiges Eventmanagement mit durchschnittlich 7,1 Prozent eine Bedeutung im oberen Bereich.
Dies wiederum wird durch die Nachfrageentwicklung unterstützt. Nach Aussagen der Anbieter beeinflusst Nachhaltigkeit zunehmend Unternehmensentscheidungen und damit die gesamte Veranstaltungsplanung.
Unisono wurde die nachhaltige Planung von Veranstaltungen als wichtig angesehen. 53 Prozent der befragten Veranstalter gaben an, dies aus Gründen der Ressourceneinsparung zu tun, ebenso viele geben an, dass ihre Kundinnen und Kunden dies erwarten würden. Innerhalb einiger wichtiger Märkte ist die Sensibilität für dieses Thema sogar noch deutlich höher. Während 60 Prozent der Veranstalter aus UK angaben, das Thema Nachhaltigkeit bei der Veranstaltungsplanung aufgrund der Notwendigkeit der Ressourceneinsparung zu berücksichtigen, gaben 55 Prozent der Veranstalter aus den USA an, dass ihre Gäste die Berücksichtigung des Themas erwarten.
5. Trendthema Digitalisierung – Chancen und Herausforderungen für den Geschäftsreisemarkt der Zukunft
Die digitale Transformation ist ein essenzieller Bestandteil des Geschäftsreisemarktes der Zukunft. Fast zwei Drittel der im MEBa 2022/2023 befragten Veranstalter stimmen der Aussage zu, dass Business Events künftig wieder vermehrt virtuell durchgeführt werden. Knapp zwei Drittel sind der Meinung, dass überwiegend hybrid geplant wird. Für das Jahr 2023 erwarten die Veranstalter eine deutliche Zunahme des Veranstaltungsvolumens bei Präsenzveranstaltungen, das sich ab 2024 einpendelt. Für rein virtuelle und insbesondere hybride Formate rechnen sie jedoch auch im Jahr 2024 mit weiter steigendem Volumen.
Die Digitalisierung eröffnet somit enorme Möglichkeitsräume, Reichweiten von Veranstaltungen zu vergrößern und auch diejenigen zu inkludieren, die aus unterschiedlichen Gründen nicht vor Ort anwesend sein können oder wollen. Wenngleich die persönliche Begegnung in einer authentischen Umgebung unter anderem beim Faktor Inspiration nicht zu ersetzen ist: Digitale Erlebnisse können dazu beitragen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur aus der Ferne einzubinden, sondern durch immersive Medien und smarte digitale Delegate Journeys eine Art von „fear of missing out“ zu erzeugen.
Digitale Technologien ermöglichen die Erweiterung von Präsentationen in bisher unerschlossene Erlebnisräume hinein – mit dem Metaverse entstehen hier völlig neue Dimensionen. KI-gestützte Anwendungen verknüpfen realtime das gesammelte Wissen virtueller Welten mit der realen Ebene der Veranstaltungen.
Last but not least: Digitalisierung und ökologische Transformation sind heute bereits eng verzahnt und öffnen zusätzliche Perspektiven für einen nachhaltigeren Geschäftsreisetourismus.
6. Veränderung der Arbeitswelt treibt Neustrukturierung des Marktes voran
Die digitale Transformation hat in vielen Bereichen der Arbeitswelt zu grundlegenden Umwälzungen geführt. Die Erledigung eines Großteils der täglich anfallenden Aufgaben online mit Hilfe elektronischer Devices entkoppelt den Arbeitsplatz des Unternehmers oder des Arbeitnehmers von der physischen Präsenz an einer bestimmten Betriebsstätte. Sie ermöglicht ein ortsunabhängiges oder multilokales Arbeiten an unterschiedlichen Orten. Etwa 36 Millionen „digitale Nomaden“ waren nach Schätzungen von BCD Travel 2021 bereits weltweit unterwegs – mit stark steigender Tendenz. Das führt einerseits zu neuen Ansprüchen der Remote Worker, die durchschnittlich drei bis sechs Monate an einem Ort arbeiten, der ihnen besonders attraktiv erscheint. Gründe für die Destinationsentscheidung reichen von günstigen Lebenshaltungskosten über ein persönlich ersehntes Lebensgefühl bis zu Kultur- und Freizeitmöglichkeiten. Die gewünschte Work-Life-Balance funktioniert jedoch nur, wenn die Arbeitsmöglichkeiten von der Dateninfrastruktur bis zum Co-Working Office stimmen.
Auf der anderen Seite fehlt den digitalen Nomaden die Sozialisation des Arbeitsplatzes im eigenen Unternehmen. Damit wächst die Bedeutung von Veranstaltungen beispielsweise für Team-Building und flexible Meeting-Strukturen für agiles Arbeiten in flexiblen Teams.
Business Events sind eines der wesentlichen Instrumente zur Lösung komplexer Sachverhalte. Menschen, die im beruflichen Kontext zusammenkommen, sorgen für Wissenstransfer, bilden Netzwerke und liefern so die Plattformen, auf denen Antworten für die großen Fragen unserer Zeit entwickelt werden. Aus der jüngsten Future-Meeting-Space-Studie „Redefining Event Attendance“ etwa geht hervor, wie relevant gerade Präsenzveranstaltungen als Inspirationsquelle und als Instrument der Personalgewinnung und -bindung sind. So sagen zum Beispiel 82 Prozent der Befragten, dass sie bei Vor-Ort-Veranstaltungen neue Ideen gewinnen. Insbesondere in einer Ära multipler, globaler Herausforderungen können Business Events die notwendigen Transformationsprozesse unterstützen und dem konstruktiven Dialog auf vielfältigen Ebenen und in variablen Formaten eine Bühne bieten. Ihre Rolle als sozialer Ort, der Begegnungen ermöglicht und Vertrauen stiftet, wird angesichts neuer, individualisierter Arbeitswelten ebenfalls zunehmend relevant. Auch das bestätigt Future Meeting Space: 91% aller Befragten geben an, Veranstaltungen zum Netzwerken zu besuchen.
Gleichzeitig steht die Teilnahme an einem Kongress, der Besuch einer Weiterbildung oder die Begegnung bei einem dienstlichen Meeting nicht länger als singuläres Ereignis: Menschen verknüpfen zunehmend mehrere unterschiedliche Anlässe zu einer einzigen Reise und schaffen so nachhaltige Ereignisse. Die Entscheidung zu einer Reise – ob ursprünglich beruflich oder privat motiviert – wird bewusster getroffen, die Reise selbst wird in der Tendenz sowohl länger als auch gehaltvoller. Der Begriff „Blurred Travel“ etwa subsumiert die unterschiedlichen Arten der Verbindung von Arbeit und Freizeit, von Staycation (Freizeitaktivitäten in der eigenen Arbeitsumgebung) über Bleisure (Verlängerung einer Dienstreise zu privaten Zwecken) bis hin zu Workation (Reisen in attraktive Destinationen, um dort auch zu arbeiten).
Diesem signifikanten Wandel im Bereich „New Work“ müssen auch die künftigen Angebote im Veranstaltungsmarkt Rechnung tragen. Insbesondere die flexible Gestaltung von Präsenz-Events wird ein entscheidender Faktor, um sie an die Wünsche der Teilnehmenden anpassen zu können. Gemäß den Erkenntnissen aus der bereits zitierten Studie „Redefining Event Attendance“ umfasst dies unter anderem die Felder Mikromobilität am Veranstaltungsort, die Bereitstellung von Arbeitsräumen bzw. Co-Working-Bereichen oder die Integration der lokalen Umgebung in die Veranstaltung selbst.